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Die Fassadenrestaurierung der großen Ecktürme

Seit 2017 verfügt der Berliner Dom über einen der fortschrittlichsten Denkmalpflegepläne der Berliner Denkmallandschaft. Der umfangreiche Plan wurde in den Jahren 2009 – 2017 durch das Büro Hübner + Oehmig angelegt und umfasst sowohl die Außen- als auch die Innenbereiche des Doms. Er dokumentiert systematisch die bauzeitliche Originalsubstanz des gesamten Gebäudes und die eingetretenen Veränderungen ab 1905 – 2017 in der sogenannten Bauphasenkartierung, darüber hinaus gibt er konkrete Handlungsanweisungen für die zukünftige Instandhaltung. Für den Fassadenbereich wurde der Plan bereits in den Jahren 2009 – 2010 im Vorfeld der geplanten Instandsetzungsmaßnahmen an den Fassaden des Berliner Doms aufgestellt und dient seitdem bei sämtlichen Maßnahmen als Grundlage und Leitfaden.

Abbildung 1: Bauphasenkartierung von Turm C, Abbildung 2: Schadenskartierung von Turm C Kartierung Huebner & Oehmig Denkmalpflegeplan

Die sorgfältige Analyse und Dokumentation der Fassaden und die daraus resultierenden detaillierten Bauzeiten- und Schadenskartierungen am Beispiel des sogenannten Turm C, dem nördlich gelegenen Glockenturm auf der Lustgartenseite, bildete den Startpunkt der Restaurierungsarbeiten. Im Sommer 2017 konnte die Firma Nüthen Restaurierungen als versierter Fachpartner für die Instandsetzung der Fassaden oberhalb des Hauptkranzgesimses am Turm C gebunden werden.

Im Zuge der Dokumentations- und Analysearbeiten war im Rahmen von Hubsteigerbefahrungen deutlich geworden, dass sich die Sandsteinoberflächen des 1905 fertiggestellten und ab 1975 wiederaufgebauten Doms in einem sanierungsbedürftigen Zustand befanden. Aus der Luftverschmutzung resultierende Auflagen aus Ruß, Gummiabrieb und Staub hatten sich in den vergangenen Jahrzehnten auf den Natursteinflächen, Gliederungselementen und Fassadenplastiken abgelagert. Die in der Luft enthaltenen Schadstoffe hatten in Verbindung mit Regenwasser Säuren gebildet und die Steinstruktur stark angegriffen. Als direkte Folge konnten diese tief in den Stein eindringen und dort enthaltene Molekularverbindungen lösen, das Gefüge lockern und beim Wiederverdunsten an der Oberfläche Ausblühungen und Verkrustungen verursachen. Solche Verkrustungen treten als graue bis schwarze Schichten auf Teilen der Gesteinsoberfläche des Doms deutlich in Erscheinung. Diese gestörte Oberfläche verhindert die Zirkulation von Feuchtigkeit, der Stein verliert seine Diffusionsfähigkeit.

Abb. 5: Defekte Fugen und Oberflächen

Ein weiteres typisches Schadensbild war und ist die in großen Teilen verloren gegangene Verfugung, so dass anfallendes Wasser zwischen und hinter die Sandsteinblöcke ziehen konnte und somit eine Durchfeuchtung ganzer Fassadenabschnitte erfolgte. Diese Kombination aus stellenweiser Durchfeuchtung zu geschlossener Fassadenoberfläche führt zu einem weitreichenden Schadensbild. Ziel der geplanten Instandhaltungsmaßnahmen war und ist weiterhin eine Wiederherstellung der Fassade unter technischen und ästhetischen Gesichtspunkten unter dem größtmöglichen Erhalt der bauzeitlichen Substanz und der Berücksichtigung der Fortführung des denkmalpflegerischen Konzeptes.
 

Die bereits erfolgreich abgeschlossenen Instandhaltungs- und Konservierungsarbeiten in den Jahren 2017 – 2020 an den beiden zum Lustgarten hin gelegenen Türmen B und C erfolgten in den hier beschriebenen Arbeitsschritten. Den ersten Abschnitt stellte die Entfernung der aufliegenden Verschmutzungen und Krusten dar. Hierzu kam die schonende Niederdruckmikrotrockenstrahlreinigung zur Anwendung. Durch den Einsatz dieses Verfahrens konnte ein Substanzverlust an der Steinoberfläche weitgehend verhindert und die aufliegenden Verkrustungen, wie z.B. Gips, biogener Bewuchs, Verschmutzungen und Staub abgenommen werden, ohne die würdevolle Patina zu entfernen, die für den Alterswert des Denkmals so entscheidend ist.

Anschließend erfolgte die Festigung der nicht mehr intakten und sandenden Natursteinoberflächen. Dies ermöglichte die Konsolidierung stark entfestigter Zonen zur Verhinderung starker Form- und Substanzverluste und die dauerhafte Konsolidierung dieser Bereiche sowie die Wiederherstellung eines ausgeglichenen Festigkeitsprofils. Um eine bauphysikalisch funktionierende Steinoberfläche wiederherzustellen, ist ein konservatorischer Oberflächenverschluss nötig. Das Schließen von kleinen Rissen, Rinnen, Löchern und Kavernen mit bis auf „null“ auslaufenden verarbeitbaren Steinergänzungsmassen im Bösch- und Schlämmverfahren bildete dabei einen wichtigen Bestandteil der Gesamtmaßnahme.

An vielen Bauteilen war die Verfugung herausgebrochen, teilweise vollständig oder an den Fugenflanken abgerissen und schadhaft. Um den jeweils angrenzenden Stein und die Fugenflanken zu schützen, wurden alle defekten Fugen teils mechanisch, teils manuell entfernt und anschließend mit materialtechnisch und farblich angepasstem Fugenmörtel wiederhergestellt. Verfugungen, die unter technischen Aspekten noch funktionsfähig waren und lediglich feine Haarrisse in der Fuge selber oder an den Fugenflanken aufwiesen, konnten gehalten und mit einem geeigneten schlämmfähigen Mörtel wieder geschlossen werden. Die thermisch stark beanspruchten Anschlussfugen zwischen Naturstein und Kupferblech waren größtenteils in zementhaltigem Mörtel ausgeführt worden, auch hier wiesen die Fugen das schon beschriebene Schadensbild auf.

Um die Materialspannungen künftig besser aufnehmen zu können, verständigte sich das Dombaubüro mit dem Landesdenkmalamt auf eine Ausführung in Bleiwolle, um somit einen wiederkehrenden Schaden zu verhindern. Nicht mehr intakte Altergänzungen und Vierungen aus der Wiederaufbauphase zwischen 1975 – 1984 konnten, wenn möglich, und wenn auch aus technischer Sicht vertretbar, in der Fassade belassen und konservatorisch überarbeitet werden. Schien der Erhalt einer Altergänzung nicht mehr ratsam, fand eine behutsame Ausarbeitung statt, nachfolgend der Ersatz durch Neuergänzung, diese in Farbe und Struktur der Umgebung angepasst. An Bereichen mit größeren und hängenden Fehlstellen, bei denen die Gefahr eines Abscherens bestand, erfolgte eine Sicherung durch die Armierung mit Edelstahl-Gewindestangen.

Die dringend notwendigen Instandhaltungsmaßnahmen konnten durch großzügige finanzielle Zuwendungen der Bevölkerung an die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, durch die unentgeltliche Reinigungsarbeit der Firma Kärcher am Turm B und durch die Übernahme der Konservierungsarbeiten zweier Apostel durch den Berliner Dombauverein seit 2019 durchgeführt werden und dauern bis heute an. Mit dem Restaurierungs- und Konservierungskonzept der letzten drei Jahre verfolgte das Dombaubüro des Berliner Doms, vertreten durch Dombaumeisterin Sonja Tubbesing und Baudenkmalpflegerin Damaris Gorrissen, das Ziel, mittels Sicherung der Oberflächen durch die beschriebenen Reinigungsmaßnamen, der Festigung der Oberflächen, der Überarbeitung mit Restaurier- und Fugenmörtel in verschiedenen, den jeweiligen Fassadenabschnitten angepassten Farben und der Anpassung der Altergänzungen eine optische Beruhigung der Gesamterscheinung zu erreichen. Die nicht geschlossenen Kriegsbeschädigungen werden, wenn unter der Berücksichtigung des Substanzerhalts möglich, als Spuren belassen. Dies bedeutet für uns die Fortführung des Denkmalpflegekonzepts der Wiederaufbauphase, nämlich die Wunden nicht auffällig zu zeigen, sondern ein Zusammenziehen des Gesamtbildes zu erreichen, um so ein soweit wie möglich intaktes Fassadenbild zu erreichen. Dabei verlieren wir nicht aus den Augen, ein patiniertes Erscheinungsbild beizubehalten, welches den Alterswert des Hauses bewahrt.

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