Chorgeschichte
Der Chor wurde 1961 von Kantor Herbert Hildebrandt gegründet. Hildebrandts vorherige Wirkungsstätte, die Versöhnungskirche, stand direkt auf dem Mauerstreifen in der Bernauer Straße; sie wurde vom August 1961 an nicht mehr genutzt und später von DDR-Grenztruppen gesprengt. Der Berliner Dom hatte durch den Mauerbau zudem seinen Chor verloren. Der Staats- und Domchor, der zuvor im Berliner Dom bei Konzerten und Gottesdiensten auftrat, war schon seit den 1920er Jahren der Hochschule für Musik (heute Universität der Künste) angegliedert und blieb im Westteil der Stadt. Am 16. Oktober 1961 fand die erste Chorprobe der Berliner Domkantorei unter Leitung von Kantor Herbert Hildebrandt statt. Geprobt wurde anfangs im „Jugendraum“ des Berliner Doms, der in einem unzerstörten Teil der Kirche lag; später fand die Kantorei für viele Jahre in Räumen anderer Innenstadt-Kirchen Probenorte.
Kirchenchöre waren zu DDR-Zeiten nicht nur musikalische Ensembles, sondern oft auch Refugien für offene Gedanken und Worte, ein Gegengewicht und eine geistige Heimat im atheistischen Staat. Entsprechend misstrauisch wurden sie vom DDR-Staat beobachtet. So durfte die Berliner Domkantorei lange Zeit weder öffentlich Werbung machen noch Eintrittskarten verkaufen. Um werben zu können, wurde ein „Hörerkreis“ aufgebaut und auf dem Postweg informiert, die Unkosten für Konzerte mussten aus der Kollekte beglichen werden.
Bis zur Wiedereinweihung des im Krieg zerstörten Berliner Doms im Jahre 1993 sang die Berliner Domkantorei in verschiedenen Kirchen Berlins: in der Bartholomäuskirche, der Sophienkirche, der Zionskirche, der Marienkirche und in der Gethsemanekirche. Am 5. April 1990 wirkte der Chor dort in einem Gottesdienst für die erste frei gewählte Volkskammer der DDR mit. Im Sommer 2003 schied Herbert Hildebrandt altersbedingt aus dem Amt. Seine Nachfolge als Domkantor trat Tobias Brommann an. Viele große Oratorien, von barock bis zeitgenössisch, wurden unter seiner Leitung aufgeführt. Er leitete den Chor bis 2021. Im Juli 2022 nahm Adrian Büttemeier seine Arbeit als neuer Domkantor am Berliner Dom auf.
Gründer des Chores
Kirchenmusikdirektor Herbert Hildebrandt, geboren 1935 in Adlig Kessel/Ostpreußen, war eine unstete Kinder- und Jugendzeit beschert: Von Königsberg über Zoppot, Demmin und Rügen führte sein Weg nach Berlin. Sein Kirchenmusikstudium absolvierte er 1953-1958 in Halle/Saale.
Seine erste Stelle als Kirchenmusiker hatte er an der Versöhnungskirche in Berlin-Mitte, die direkt an der damaligen Sektorengrenze stand. Durch den Bau der Berliner Mauer wurden die Gemeinde und der sehr gute Kirchenchor geteilt. Die Kirche wurde später von DDR-Grenztruppen gesprengt.
Herbert Hildebrandt gründete aus den verbliebenen Mitgliedern seines Chores und anderen durch die Teilung Berlins "heimatlos" gewordenen Chorsängerinnen und -sänger die Berliner Domkantorei. Er war von 1962 bis 1983 Kantor an der St. Bartholomäus-Kirche und tat zunächst nur interimsweise und nebenamtlich Dienst am Berliner Dom. Von 1983 bis 2003 leitete er hauptamtlich die Berliner Domkantorei.
Überdies schuf er zahlreiche Chorsätze, vor allem für den Gebrauch im Gottesdienst. Eine Sammlung von Sätzen zum Evangelischen Kirchengesangbuch erschien 1979, ebenso ein Heft mit Bearbeitungen europäischer Weihnachtslieder. Er war auch an der Herausgabe von Werken alter Meister beteiligt und archivierte die ca. 10.000 kirchenmusikalische Werke umfassende Notenbibliothek der Domkantorei.
Herbert Hildebrandt starb am 24.12.2019.